Papier, Karton, Holz

 

Ingrid Bayer - Skulpturen aus Holz

Ellen Keusen - räumliche Arbeiten aus Papier

Susanne Tischewski - Arbeiten auf und mit Papier

Mafred Zoller - Skulpturen und Assemblagen aus Karton

Papier, Karton, Holz lautet der Titel der Ausstellung, in der diekleinegalerie in Berlin-Friedenau Arbeiten von drei Künstlerinnen und einem Künstler zeigt. 

Warum greifen die KünstlerIinnen zu Pappe und Holz, rollen oder ölen, zerknüllen oder nähen sie Papier? Zumindest zwei Erklärungen bieten sich an.  Zunächst ein spielerisches Bedürfnis, eine Experimentierlust, mit anderen Formen und  Materialien zu arbeiten.  Daneben die Vorstellung, gerade in dieser Gestaltungsweise und mit diesem Material ein bestimmtes künstlerisches Anliegen ausdrücken zu können.

 

Zu sehen sind filigrane kleinformatige Holzarbeiten von Ingrid Bayer, als einzelnes oder zusammengesetztes Werk auf Sockeln oder an der Wand befestigt. Die ausgewählten Hölzer (Buche, Ahorn, Kiefer) zeigen unterschiedliche Farbtöne. Eine Arbeit besteht aus sechs Elementen aus Kiefer, die – in einem Spannungsverhältnis zueinander stehend – auf einem Sockel arrangiert sind. Die Arbeit Balance wirkt wie ein ausgefallenes Miniatur-Architekturmodell, wobei die ausladende „Terrasse“ das Ganze an die Grenze der Standsicherheit bringt.

Einige der Exponate sind aus einem einzigen Holzstück herausgearbeitet. Andere Arbeiten sind aus einzelnen Teilen zusammengefügt und geleimt oder in Metall eingefasst. Das Material ist äußert sorgfältig bearbeitet. In ihrem Arbeitsprozess dringt Ingrid Bayer mit Hilfe einer Tischkreissäge von der Oberfläche ausgehend immer tiefer in das Holz ein.

In behutsamen, intuitiven Schritten erforscht sie das Innere des Holzstückes.  

Sie begibt sich in einen Dialog mit dem Holz, in eine Auseinandersetzung, die von ihr höchste Konzentration und Präzision bei der Arbeit verlangt. Es gilt die Materialeigenart, die natürliche Belastbarkeit des Holzes zu erspüren und zu respektieren. Wird dem Holz zu viel abverlangt, dann sträubt es sich: es splittert oder bricht. Ingrid Bayer geht an die Grenze der Bearbeitbarkeit, die durch die Eigenschaften der verschiedenen Hölzer und durch das eingesetzte Werkzeug gegeben sind. Manche Elemente sind fast papierdünn. Von ihren Arbeiten geht eine meditative Wirkung aus, ein Reflex auf die ruhige und konzentrierte Angespanntheit beim Arbeitsprozess. 

Ingrid Bayer war Meisterschülerin bei Herbert Kaufmann an der HdK in Berlin. Auch Kaufmann hat sich im Laufe seiner künstlerischen Arbeit verschiedenen Materialen zugewandt, wie z.B. festen Kartonagen, aus denen Collagen und seine bekannten „Litfaßsäulen“ entstanden.

 

 

Über die Räume verteilt finden sich eigentümliche Gebilde aus zu Röhren gerolltem Papier von Ellen Keusen. Durch in den Röhren verlaufende Schnüre sind sie zu dreidimensionalen  netzartigenStrukturen verknüpft. Die Papierrollen sind überwiegend von weißer oder beiger Farbe, vereinzelt auch braunrot und olivgrün. 

Die unterschiedlich langen und etwa bleistift-bis daumendicken Papierröhrchen sind zu einer flexiblen Konstruktion verbunden, in der sie ein mal engeres, mal weiteres Geflecht bilden, das in verschiedene Formen gebracht werden kann, je nachdem, in welcher Position es aufgehängt wird. Ein Windzug oder eine Berührung – und es setzt sich bei freier Hängung in Bewegung.

Beim Anschauenkann sichdie Assoziation des Atomiums in Brüssel einstellen, das aus neun kubisch im Raum verbundenen Atomen besteht und die Elementarform der Kristalle darstellt. Allerdings finden sich bei den Arbeiten von Ellen Keusen nicht die kugelförmig dargestellten Atome, sondern nur die röhrenförmigen Verbindungen. Hier stehen nicht wie im Atomium die einzelnen Atome im Zentrum, sondern die Verbindungen selber sind das Thema der Arbeit, was auch im Titel „Jederjeden“ angedeutet ist. Die entstandenen Verknüpfungen, das Netzwerk stellt sich aus jeder Betrachtungsperspektive anders dar: mal dichter mit engeren, mal lockerer mit weiteren Abständen. Durch Aufhängen an einer anderen Stelle der Arbeit kann das Geflecht eine andere Form erhalten.

So wie aus jeder Position und jedem Blickwinkel das Geflecht anders aussieht, so unterschiedlich lassen sich auch die menschlichen Beziehungen betrachten. Jeder Mensch ist mehr oder weniger in ein Netz von Beziehungen eingebunden:  kulturell, beruflich, familiär.Die menschlichen Beziehungen sind nicht statisch, sondern verändern sich und weisen je nachdem, von wo man auf sie blickt, eine andere Struktur auf.

 

Ellen Keusen hat an der Werkkunstschule in Düsseldorf und an der HdK in Berlin studiert.  In ihrer Arbeit hat sie sich auch mit zeitgeschichtlichen Themen beschäftigt. Als Beispiel wird auf ihre Arbeit „Berta, ich“ hingewiesen, ein Projekt in Buchform, in dem sie sich mit dem Schicksal deportierter jüdischer Kinder beschäftigt. Das Buch wird aktuell in einer großen Ausstellung zum jüdischen Leben in Deutschland im Kolumba-Museum in Köln gezeigt.

 

Von Susanne Tischewski sind Arbeiten aus und mit Papier in seinen verschiedenen Formen zu sehen: Packpapier, Seidenpapier, geöltes oder gewachstes Papier, Achatpapier, aber auch wiederverwertbares Alltagspapier und Collagen, die Wellpappe enthalten. Verschiedene Papiere sind übereinandergelegt, einige sind zerrissen und wieder vernäht, die Ränder sind teilweise unscharf, abgerissen. In manchen Arbeiten sind kleine Papierrollen, Bindfäden oder Garn zu sehen, die über das Blatt hinausreichen können. Dadurch bekommen viele ihrer Arbeiten einen ins Dreidimensionale, ins Reliefhafte gehenden Charakter. Durch die verwendeten Seidenpapiere wirken ihre Arbeiten oft schwebend, fast durchsichtig, gehaucht. Organische Formen und einbezogene Blätter vermitteln einen poetischen, naturhaften, erdigen Eindruck, was durch die zurückhaltende Farbgebung verstärkt wird. Das zuvor bearbeitete Papier dient als Malgrund für meist nicht-gegenständliche Gouachen, die mit Linolfarbe und Tusche bearbeitet sind. Man meint neben symbolartigen Zeichen ein Schiff, Pflanzenteile, eine Leiter zu erkennen.

In einer 2021 entstandenen Arbeit hat sie in Form einer Collage das Fadenspiel, ein uraltes Geschicklichkeitsspiel aufgenommen. Dabei lassen sich mit Hilfe einer über die Finger beider Hände geführten Schnur durch Verschlingungen verschiedene Figuren erschaffen. Das spielerische und ausprobierende Vorgehen bestimmt Susanne Tischewskis Arbeiten. Sie lässt den Betrachter teilnehmen an der Verwandlung ihres Erlebens in Farben und Formen. Dekonstruktion und Rekonstruktion: sie zerreißt, zerknüllt und legt dann wieder zusammen und vernäht die einzelnen Teile. Gemeinsam sind ihren Arbeiten der Naturbezug und die Wertschätzung des Materials, das sie in immer neuen Formen einzusetzen und wiederzuver-wenden weiß.

Susanne Tischewski gibt ihren Arbeiten meist keine Titel. Ihre Arbeiten stellen ein offenes Angebot an den Rezipienten dar, eigene Bezüge herzustellen. 

Susanne Tischewski hat in Leipzig an der Hochschule für Graphik und Buchkunst u.a. bei Hans Meyer-Foreyt und Wener Tübke studiert. Neben ihrer künstlerischen Arbeit, die auch große textbasierte Papiere umfasst, hat sie für verschiedene Verlage als Illustratorin und Gestalterin gearbeitet und war zusammen mit ihrem Mann als Herausgeberin tätig. Das mit ihm gemeinsam herausgebrachtes Bilderbuch wurde von der Stiftung Buchkunst prämiert. 

 

 

Von Manfred Zoller sind zwei verschiedene Werkgruppen zu sehen. Im vorderen Raum finden sich vier kleinformatige Collagen, die aus verschiedenfarbigen Papierstücken zusammengesetzt sind und als konstruktive, geometrisch anmutende expressive Farbflächen oder Farbschatten erscheinen. Das Farbspektrum ist überwiegend gedeckt, vonwarmem Farbton. Eine Arbeit hat den Titel „Stadtbild“ und lenkt damit die Assoziationen auf das Stadt- und Landschaftsthema, das in vielen Arbeiten Manfred Zollers eine Rolle spielt. Dabei löst er das figurativ Gegenständliche in Abstraktion und in die Gestaltung von Farbflächen auf. Die Arbeit „Stillleben“ enthält einen kleinen bedruckten Papierschnipsel, auf dem die – vielleicht programmatisch zu verstehenden – Worte „pulse verleihen“ zu lesen sind.

Das Thema Stadtbild wird auch in den aus Karton gefertigten Objekten aufgegriffen. Die drei kastenförmigen Objekte sind – bis auf die Rückwand –von allen Seiten bemalt und zeichnen sich, wie auch die Collagen durch eine ausgewogene Verteilung von Farbflächen aus. Ein Objekt enthält eine Teigware, die Fett an die Umgebung abgibt. Eine der kleineren offenen Arbeiten ist mit „Industrieland“ betitelt und lässt an ein Bühnenbild denken.

 

Die Vielseitigkeit Manfred Zollers hat ihren Niederschlag in seinen Tätigkeiten als Anatom und Hochschullehrer und durchgehend in seiner künstlerischen Arbeit gefunden. 

Manfred Zoller hat zunächst Medizin studiert und in Anatomie habilitiert. Später war er als Professor und Leiter der Abteilung für Künstleranatomie an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee tätig. Schon während seines Medizinstudiums begann er mit seiner künstlerischen Tätigkeit, wobei er wichtige Anregungen durch den Maler Johannes Müller erhielt.  Später war er Meisterschüler bei Gerhard Kettner an der Hochschule für bildende Künste in Dresden. 

Die Beschäftigung mit dem Körper und dessen Funktionsweise, sowohl den Körpern von Tieren wie von Menschen, haben ihn zur Konstruktion anatomisch-funktioneller Objekte für den Studentenunterricht veranlasst und ihn gleichzeitig zu skulpturalen Arbeiten angeregt. 

 

In diesem Jahr wurde Manfred Zoller mit dem Brandenburgischen Kunstpreis in der Kategorie Malerei geehrt.

 

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