„Tiere und Menschen“ -  diekleinegalerie vom 18. März bis zum 13. Mai 2022 

 

Die Beziehung zwischen Tier und Mensch hat sich im Laufe der Jahrtausende verändert. 

 

Das Tier war zunächst Bedrohung als Raubtier, aber auch Nahrung und selbstverständlicher Mitbewohner des gemeinsamen Lebensraumes.

Mit der Sesshaftwerdung des Menschen und der Domestizierung vor etwa 10000 Jahren änderte sich die Beziehung zwischen Tier und Mensch und führte schließlich zu unserer heutigen groben Einteilung in Wildtiere, Nutztiere und Haustiere.

 

Die Bedrohlichkeit der Raubtiere hat durch unsere technische Entwicklung und Überlegenheit unserer Waffen nachgelassen.

 

Dagegen hat die Bedeutung der Tiere als Nutztiere zugenommen. Wir züchten sie als Nahrungsgeber, wir nutzen sie als Versuchstiere und Organspender, sie helfen uns in der Landwirtschaft, als Spür- und Blindenhunde, in der Kavallerie (im 1. Weltkrieg starb die Hälfte von 16 Millionen eingesetzten Pferden). Sie werden beim Sport (moderner Fünfkampf) und zur Unterhaltung (Zirkus, Stierkampf) eingesetzt. 

 

Unter den Haustieren nimmt der Hund auf Grund seiner Anpassungsfähigkeit eine ganz besondere Stellung in der Beziehung zum Menschen ein. Er ist Begleiter, ein Familienmitglied und schützt vor Einsamkeit. Als Statussymbol verschafft er Respekt und Ansehen.

 

Die Kunst hat sich schon früh mit dem Tier beschäftigt. Anfang des XX. Jahrhunderts entdeckte man in Höhlen in Frankreich und Spanien – und weltweit – Malereien mit Tiermotiven, die bis zu 50000 Jahre alt sind.

Die Lokalisation der Bilder – oft am Ende einer langen Höhle - lassen annehmen, dass die Malereien nicht aus Langeweile oder Freude am Zeichnen entstanden sind, sondern vermutlich eine magische oder spirituelle Bedeutung hatten. 

 

Tierbilder haben oft allegorische Bedeutungen. Sie verkörpern einen abstrakten Begriff in der Gestalt des Tieres: z.B. die Faulheit als Esel oder den Mut als Löwe und stellen menschliche Eigenschaften dar.

 

Die Bilder der Ausstellung zeigen von Menschen hergestellte Bilder von Tieren. Wir sehen die Tiere aus menschlicher Perspektive. Wir wissen nicht, ob die Tiere mit der Art ihrer Darstellung einverstanden wären oder wie sie sich selber darstellen würden. 

Wir können nicht mit den Augen eines Schweins oder einer Ameise auf die Welt schauen und letztlich nicht verstehen, was Tiere empfinden, da sie uns nur begrenzt daran teilnehmen lassen. Die Erkenntnisse über die kognitiven und sozialen Fähigkeiten die Tiere haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen, so dass die klare Abgrenzung zwischen Mensch und Tier in Frage gestellt ist. Der Mensch hat sich im Kontakt und in Abgrenzung vom Tier entwickelt. Die Fähigkeiten der Tiere haben uns angeregt und herausgefordert zu schwimmen und fliegen zu können.  Der Balztanz der Tiere hat den Menschen zum Tanzen und das Zwitschern der Vögel zum Singen animiert. Der Nest- und Wabenbau mag die Architektur angeregt haben.

Franz Marc forderte die Künstler auf, eine Landschaft mit Tier nicht so zu malen, wie er, der Künstler, die Künstlerin es subjektiv fühlt, sondern wie das Tier sie fühlt. „Wie sieht ein Pferd die Welt oder ein Adler, ein Reh oder ein Hund?“

Franz Marc hat in seinen Bildern das Sehen zum nachfühlenden Mitleiden intensiviert. Seine Tierdarstellungen sind nicht Abbildungen des Tieres, sondern er versucht, die Wesenheit des Tieres, sein Seelenleben darzustellen. 

Ein ähnliches sich Hineinversenken findet sich bei Josef Beuys, der die unsichtbaren Formzusammenhänge und Energieabläufe erfassen wollte. Beuys strebte in seiner Arbeit eine Überwindung der durch den Materialismus eingetretenen Verkümmerung an, in dem er sich der Sinnenwelt der Tiere zuwandte und sie schließlich z.B. mit der Kojote in New York als Teilnehmende in seine Arbeit einbezog. Seit dem Ende der 60-iger Jahre werden lebende Tiere in der Konzeptkunst als Teilnehmer einbezogen, wie z.B. in der großen Ausstellung von Carsten Höller mit Rentieren im Hamburger Bahnhof.

 

In den Statements der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler zum Thema der Ausstellung dominierte die Liebe zu den Tieren, ein Gefühl der Verbundenheit mit allen Lebewesen und die Sorge um die gemeinsame Lebensgrundlage. Insofern kann die Hinwendung zur Welt der Tiere und zu ihren Beziehungen zu den Menschen einerseits als Hommage an die Tiere und gleichzeitig als Ausdruck der Sorge angesichts der Entwicklung einer zunehmend urban und technisch geprägten Lebenswelt gesehen werden.

 

 

Zu den Arbeiten der Ausstellung:

 

Die als „kleine Damen“ bezeichneten Doggen im Bild von Hannelore Teutsch schauen uns an. Wir, der Mensch ist im Bild präsent als weggeworfene, leere Zigaretten-schachtel. 

Die Zigaretten symbolisieren die künstliche, menschliche Welt. Aber auch die Doggen sind nicht reine Natur, sondern Ergebnis einer – wegen mancher Auswüchse wie z.B. der Verkürzung des Gesichtsschädels problematischen – Züchtung.

 

Im „Personal in neuer Wohnung“ irritieren zwei Tier-Mensch- Mischwesen, eines der beiden in rhythmischer, fast marschartiger Bewegung.

 

Die Katzen, von Bettina Pfüller in naiv – realistischer Malweise dargestellt, gehören zu der Gruppe von Tieren, die schon durch den menschlichen Vornamen, den sie tragen, als Beziehungs-Tier des Menschen gekennzeichnet sind. 

 

Von Volker Pfüller sind Drucke nach Linolschnitten aus seinem 2009 gestalteten Tierlein- Buch zu sehen, die - von Film und Comic inspiriert - teilweise karikaturartig menschliche Wesenszüge in den Tieren darstellen. 

 

Luisa Pohlmanns Bilder vermitteln Traum und Alptraum zugleich. Der Hamster, der den Fernsehturm ergreift,  erinnert an die Gruselfilme mit zu Monstergrößen gewachsenen Spinnen und King Kong. In „according to the dream“ lässt sie eine Giraffe in eine von Seifenblasen erfüllte Traumlandschaft wandern.

 

Die Maler des Mittelalters kehrten gerne ironisch die Größen- und Machtverhältnisse zwischen Tier und Mensch um.  Z.B. braten große Hasen einen kleinen Jäger am Spieß.

 

Irene Warnke erzählt in ihrem Bild eine Geschichte von einem großen Fuchs, dem ein kleines ängstliches Kind gegenübersteht, das sein Lieblingstier schützend an sich drückt.

 

Eine surreal-apokalyptische Stimmung vermitteln die Arbeiten von  Ulrike Hogrebe. Ihre Tiere stehen verloren klein und allein auf einer weiten leeren Fläche.  Der Pfeil zeigt dem Schaf die Richtung an: zurück in die bessere? Vergangenheit.

 

Ann Besier  ruft in ihren auf Buchdeckeln arrangierten Arbeiten die Erinnerung an die Folgen großer Waldbrände wach,  denen viele Tiere zum Opfer gefallen sind. Die menschengemachte Veränderung der Umwelt beraubt die Tiere ihres Lebensraumes. Der  Bildtitel „Im Frühling singt zum letzten Mal die Lerche“ nimmt den Titel eines 1990 von Johannes Mario Simmel verfassten Romans auf, der die Umweltproblematik zum Thema hat.

 

Andrea Cataudella macht in seinen filigranen Arbeiten die Fragilität der Lebewesen sichtbar. Sein Mensch-Affe-Kopf verweist auf die unscharfe Mensch-Tier- Grenze und auf das Tier in uns. 

 

Der liebevoll von Diana Sprenger gezeichnete Hund steht in der Tradition der Tierporträts. Die gewinnende Darstellung wirft die Frage auf, wie weit unsere Hunde als Pets sich von ihrem Hundewesen als Abkömmlinge des Wolfs entfernt haben.

 

Wie innig sich die Tier-Mensch Beziehung entwickeln kann, zeigen die Bilder von Ulli Beckers und Jens Hunger, die einen Hinweis geben auf die der Tierliebe oft zugrunde liegende Vereinzelung und Einsamkeit.  Die Übernachtungsquartiere für obdachlose Menschen haben manchmal Schwierigkeiten, weil so viele Gäste mit einem Hund kommen. 

„Jeder hat ´nen Hund, aber keinen zum Reden“ heißt es im Song von Peter Fox.

 

Die Mythenwelt wird thematisch von Young Sik Lee mit  seiner Arbeit  „Jason und das goldene Flies“ aufgegriffen.  Geistiger und materieller Zugewinn ist nur im Kampf gegen innere und äußere Widerstände, hier gegen einen schuppigen Drachen zu erreichen.

 

Uwe Kahl hat die  Bronzefigur des Anubis geschaffen. Anubis,  der altägyptische Gott der Totenriten wird als Mensch mit einem Hunde- oder Schakalkopf dargestellt. Anubis soll die erste Mumifizierung vorgenommen haben. Uwe Kahl hat seinen Anubis eher freundlich, leicht vorgebeugt zugewandt gestaltet. Von Uwe Kahl stammt auch der mächtige Rabenkopf aus gebranntem Pappelholz.

 

Eine weitere in der Ausstellung gezeigte Skulptur stammt von Ute Hoffritz: Eine kleine zarte Kuh, mal aus Gips, mal aus Beton gefertigt, steht allein auf einem Hügel und löst Zuneigung und Beschützer-Gefühle aus.

 

In der Arbeit von Murshida Arzu Alpana werden wir Zeuge eines mythischen Momentes, der Begegnung mit einem Zwitterwesen aus Katze und Mensch, das vorsichtig hinter einer Wand hervorlugt. Die in vielen Bildern und Mythen der Kulturgeschichte vorkommenden Zwitterwesen könnten durch die jetzt möglichen Genveränderungen erschreckende Realität werden, sofern sich einige Staaten nicht an das Verbot zur gentechnischen Erzeugung von Mensch-Tier-Mischwesen halten. 

Den Gegenpol zu dieser gruseligen Perspektive der Erschaffung von Mischwesen bilden die Kuscheltiere. Kuscheltiere sind wichtige Übergangsobjekte in der Ablösung von den ersten Bezugspersonen in der frühen Kindheit. Oft bleiben sie lebenslang bedeutsam. Jeder 7. Deutsche verreist mit einem Kuscheltier.  

 

Kuscheltiere finden wir in den Arbeiten von Sabine Noll,  Ann Besier und Jens Hunger. In der „Teddybären“ – Zeichnung von Sabine Noll kontrastieren die beiden – nach Fell und Form - schon älteren aufrecht sitzenden Teddybären im oberen Teil des Bildes mit einer quer liegenden Puppe mit verdrehten Gliedmaßen und einer eher finster wirkenden (Spielkarten- ) Figur. Auch der Kuscheltierhase im „all done“ Aquarell von Ann Besier vermittelt nicht den Eindruck einer unbeschwerten Verbindung zur Besitzerin. Blind faith = blinder Glaube hat Jens Hunger sein Affenbild genannt. Der kleine Affe hat menschliche Züge. Seine Hinwendung zu der in einer Kaffeekanne steckenden Hello Kitty Katzenfigur vermittelt etwas gruselig Vergebliches.

 

Die Arbeiten von Susanne Tischewski beschäftigen sich mit dem schwerwiegenden Thema der Massentierhaltung und dem Tier als Nahrung – und das in - gemessen an der Größe des Problems - disproportional kleiner Form. In Europa gibt es etwa 90 Millionen Rinder und 150 Millionen Schweine. Im Jahr 2020 wurden über 600 Millionen Masthühner geschlachtet.

Ihr Fisch schwimmt in mit Müll verschmutzten Gewässern und der Müll findet sich auch im Inneren des Fisches.

Als Hintergrund sind die Ausschnitte der Aktienkurse der Konzerne zu sehen, wozu auch die Lebensmittelkonzerne zählen.

 

 

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© diekleinegalerie