Das Kontemplative der Veränderung – vom künstlerischen Schaffensprozess, so lautet der von den Künstlerinnen gewählte Titel der Ausstellung.
Damit wird die Dialektik von Kontemplation = konzentriert-beschaulichem Nachdenken und Innehalten und der Aktivität von Veränderung in den Blick genommen.
Alle drei Künstlerinnen gemeinsam ist, dass sie seit vielen Jahren künstlerisch tätig sind und ihre Arbeiten in vielen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt haben.
Außerdem verbindet sie, dass sie alle vorher in anderen Bereichen tätig waren, eine als Ingenieurin, eine als Psychologin und eine als Tänzerin. Lassen ihre Arbeiten Rückschlüsse auf diese früheren Betätigungen zu?
In Kirstin Rabes Arbeiten arbeitet mit Papier. Sie benutzt Altpapier aus Zeitungen, Baumwollzellstoff und geschöpftes Papier. Sie schneidet es, reißt es oder formt es zu Schnüren, aus den sie Objekte gestaltet.
In der Ausstellung zeigt sie mehrere Arbeiten, in denen das Papier in horizontaler Schichtung in mehreren Reihen angeordnet ist. Die glatt geschnittenen Papiere sind in einem Rahmen fest zusammengefasst. Einen besonderen Reiz gewinnen die Arbeiten durch die zarten Farbnuancen des verwendeten Papiers.
In den Arbeiten „Schnürung“ und „Connected“ hat sie Papierbänder kunstvoll verflochten.
Die kugelförmige Arbeit „Connected“ weckt Assoziationen an die Weltkugel und bringt die Verflochtenheit zum Ausdruck, sowohl die der Menschen auf der einen Erde und die in der Natur vorkommend in den unterirdischen Verbindungen von Pflanzen und Wurzelgeflechten.
Nach Wanderungen in der Toskana sind Arbeiten mit Japantusche auf Papier entstanden, in denen sie durch immer stärker Verdünnungen der Farbe meditative Landschaftsbilder geschaffen hat.
Im Zyklus Alpi Apuane hat sie aus gegossenem, geschnittenem und übereinander geschichtetem Papier und Einsatz von Japantusche und Pigmenten bewegte Landschaften gestaltet.
Ihre Arbeiten strahlen eine Klarheit und Ruhe und eine große handwerkliche Geschicklichkeit und Akkuratesse aus, in der Einflüsse ihrer früheren Tätigkeit als Geodätin aufscheinen.
Young-Ya Zimmermann stammt aus Südkorea. Sie lebt schon lange in Deutschland und hat in Berlin viele Jahre als Psychologin gearbeitet. Über die Kunsttherapie kam sie zum eigenen künstlerischen Arbeiten.
Von ihr sind die farbigen, weitgehend abstrakten Arbeiten zu sehen. Die große Arbeit an der Stirnseite hat den Titel „History oft he Seas“ und ist vom Vorherrschen der Farbe blau geprägt. Es ist ein lebendiges, farbkräftiges Bild, man meint die Unruhe und Wildheit der See zu spüren. Es lassen sich Strukturen erkennen wie Boote und angedeutet eine Gestalt, die mythologische Vorstellungen weckt.
Beim Aufbauer erinnerten wir uns an eigene Erinnerungen die See, an Ferien am Meer, Überfahrten, an Ängste vor dem Ertrinken.
Die Arbeiten „Eurasia“ enthalten Collageelemente und weisen wie auch die beiden nicht betitelten Arbeiten z.B. in Form von kalligraphischen Elementen asiatische Einflüsse auf.
Dagegen sind die beiden Farbsymphonien abstrakte, durch die leuchtenden Farben wirkende Bilder, die Farbklänge und Blumen assoziieren lassen. In ihren Arbeiten spielen Intuition und Gestimmtheit eine Rolle, zu deren Wahrnehmung sie als Psychologin einen besonderen Zugang hat.
Young-Ya Zimmermann pflegt eine enge künstlerische Verbindung zu ihrem Heimatland und hat mehrfach Künstlerinnen-Austausche zwischen Deutschland und Süd-Korea organisiert.
An diesem Austausch haben auch Kirstin Rabe und Ila Wingen teilgenommen.
Ila Wingen hat zunächst in Paris modernen Ausdruckstanz studiert. Dort lernte sie auch einige Große der Kunstwelt wie Cy Twombly und Nam June Paik kennen, die sie in ihrem Vorhaben, sich der plastischen Kunst und Malerei zuzuwenden.
Ila Wingen hat viele Jahre im Ausland verbracht, in USA und Frankreich mit Studienaufenthalten in Japan und Südamerika.
Aus ihrem umfangreichen Werk sind hier zwei besondere Arbeiten zu sehen, die sie eigens für diese Ausstellung geschaffen hat. Dabei konnte sie auf ältere Arbeiten aus dem Jahr 2016 zurückgreifen, denen sie kleine Arbeiten aus dem Jahr 2024 zugefügt, aufgeklebt hat, die als Hinweis auf ihre eigene künstlerische Weiterentwicklung gelesen werden können. Dabei übernimmt sie einzelne Elemente der älteren Arbeiten wie die vertikalen und horizontalen Linien und greift auch die Farben auf. Aber mit der Wahl des Malgrundes und den Collageanteile setzt sie deutlich andere Akzente. In der Königspalme betitelten Arbeit kann man eine menschliche Kopfform erkennen. In der Glühwürmchen Arbeit sind ovale Formen zu sehen mit einer allerdings auf dem Kopf stehenden Haartracht. Die Arbeiten irritieren – und das ist auch von der Künstlerin beabsichtigt, die mit ihren Arbeiten die Sehgewohnheiten in Frage stellen will.
Zurück zum Thema der Ausstellung: Das Kontemplative der Veränderung im künstlerischen Schaffensprozess.
Kirstin Rabe beschreibt das Zubereiten der Papiere: das Schöpfen des Papiers, das Auswählen und Zuschneiden als kontemplativen Vorgang. Es ist ein Experimentieren mit Material, wobei das Ergebnis zunächst offen ist.
Young-Ya Zimmermann lässt sich bei ihrer Arbeit oft von klassischer Musik inspirieren, was sich an ihren Arbeiten „Farbsymphonie“ gut nachvollziehen lässt.
Ila Wingen erlebt die Kontemplation während ihrer künstlerischen Arbeiten. Das mag zunächst als Widerspruch erscheinen, da hier beschauliches Nachdenken und Innehalten mit der Aktion, der Handlung des Malens, Klebens, Gestaltens scheinbar zusammenfällt, aber tatsächlich immer wieder von mediativen Momenten unterbrochen wird.