TRAUM - UTOPIE  - Ausstellung vom 13.9. bis zum 18.10. 2025

 

 

Träume können imaginäre Wünsche erfüllen oder Hilfe bei der Verarbeitung von Erlebnissen sein. Als Albträume wirken sie bedrohlich. Utopien sind alternative positive Zukunftsentwürfe. In der Form von Dystopien lassen sie Schlimmes befürchten. Eine Gruppenausstellung zeigt dazu in Malerei, Zeichnung, Fotografie und Objekten verschiedene künstlerische Positionen.

 

 

Anregungen zu dem Thema kamen aus Freuds Traumdeutung, Träume als Sprache der Seele (Buchtitel eines Berliner Analytikers), wiederkehrende Alpträume bei Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Daneben das Konzept von Utopie als einer gewünschten aber noch realisierten Gesellschaftsordnung im Sinne von Martin Luther Kings „I have a dream“. Auf der anderen Seite die Lektüre von Cormac Mc Carthys Buch „Die Straße“, ein düsteres und am Ende nicht ganz hoffnungsloses Szenarium, die täglichen Nachrichten. 

 

Die Auswahl der Bilder erfolgte teils nach Vorschlägen der Künstler, aber überwiegend durch mich aus dem Portfolio der Künstler, wobei die verschiedenen oben genannten Gedanken/Erinnerungen mehr oder weniger bewusst eine Rolle gespielt haben.

 

Die positive Seite sehe ich besonders in der im Schaufenster ausgestellten Arbeit „anders rum“ von Monika Sieveking. Die Figur macht einen Kopfstand im blauen Himmel. Monika Sieveking ist 1944 in Potsdam geboren. Sie hat an der HdK studiert und ist seitdem in Berlin tätig. Wer die politisch so aufmerksame Monika Sieveking etwas kennt, wird sich vielleicht über so eine, eine positive Stimmung vermittelnde Arbeit wundern – oder sie für Augenzwinkern halten.

 

Die psychologischen Aspekte des Traumes lassen sich gut zu den Arbeiten von Gabriele Schlesselmann assoziieren. Es surrt herum um den Kopf des Träumers.  Wie Insekten umschwirren verschiedenste Vorstellungen den Kopf der Schläferin.  Auf das alptraumhafte wird in der mit „spread your tears and cry“ Bezug genommen. Goya hat es mit: „der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ ja auf die Spitze getrieben. Gabriele Schlesselmann hat auch an der HdK studiert und lebt und arbeitet in Berlin.

 

Die Arbeiten von Caty Forden verbildlichen die Farbigkeit und das irreale Nebeneinander verschiedener Bilder und Realitäten im Traum. Sie stammt aus Washington DC und hat in Chicago Kunst studiert. In ihren hier gezeigten Arbeiten dominiert die Farbe gelb. Gelb steht für Freude, Optimismus, Energie. Dazu scheint die Bildaussage nicht recht zu passen. Die Titel lauten „Wake“ = Totenbett und „in the bardo“. Bardo ist im tibetischen Buddhismus der Zwischenzustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Ich musste an den Tod als Bruder des Schlafes und an die Novelle Schlafes Bruder“ von Robert Schneider denken. In der griechischen Mythologie ist Thanatos der Gott des Todes und sein Bruder Hypnos der Gott des Schlafes.

 

Pia Maier ist die jüngste Teilnehmerin unserer Ausstellung. Sie hat erst einen Bachelor in Latein erworben. Jetzt steht sie vor dem Abschluss ihres Studiums an der UdK in der Klasse von Valerie Favre. Sie zeigt in ihrer dunkleren Arbeit ein fast claustrophobes Gefangenensein des Schläfers in seiner Welt. In der zweiten hellen, fast durchsichtigen Arbeit fällt die Veränderung der Körperproportionen auf. Im Traum ist alles möglich.

 

Eine positive Anmutung geht von den beiden Raumskulpturen von Bettina Lüdicke aus, Traumhaus und Penthaus genannt, ein transparentes Gefüge aus Kupferdraht.  Sie sind offen, licht, öffnen sich in den Raum, filigran, durchlässig, darüber schwebt ein Knäul von Ideen. Ein Gegensatz zur claustrophoben Verschlossenheit des Raums bei Pia Maier. Bettina Lüdicke stammt aus Darmstadt. Sie hat an der HdK Textilgestaltung studiert und beschäftigt sich in ihren Arbeiten besonders mit verschiedenen Raumkonzepten.

 

Der Realisierung der Träume und Utopien kommen wir in den Keramiken von Gabriele Nocker näher. Gabriele Nocker hat in verschiedenen Regionen der Erde den Umgang mit Ton und Keramik erkundet und für sich weiterentwickelt. Bei der Arbeit ohne Titel sehen wir eine Figurengruppe auf einer Rampe und es verlockt dazu, sich zu fragen, ob die Bewegung nach oben oder unten gerichtet ist.

In der Arbeit mit dem Titel „Proklamation“ wird etwas Wichtiges verkündet, ein Aufruf. Der Inhalt des Aufrufes bleibt unverständlich, vieldeutig. Er erfolgt aus einem festen, sicheren Haus, aus dem sich vielleicht leicht Apelle in die Welt schicken lassen, die andere auffordern, etwas zu tun oder zu lassen. Z.B. Klimawandel. Hört das noch jemand?

 

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Arbeit von Ernst Volland hinweisen, die im Eingangsbereich hängt. Die Freiheitsstatue, die in Flammen aufgeht. Ein Plakat aus dem Jahr 1983, das von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.

Ernst Volland, 1946 geboren, ist ein politischer Künstler, der sich in seinen Arbeiten, vor allem in Plakaten, Karikaturen und Fotomontagen seit Jahrzehnten eingemischt hat in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs.

 

Bei Susanne Ring stand ich vor der großen Herausforderung, aus einer Fülle von Arbeiten einige auszuwählen – und ich habe – welchem Impuls folgend? - gerade diese drei ausgesucht. 

Die kleine Arbeit „ich wachse nicht mehr“ haben wir beim Hängen nicht ohne Grund in die Mitte der Wand platziert. Ihre textlich und visuell vermittelte Aussage bringt vielleicht in besonderer Weise die mir zunächst auch nicht klare „Botschaft“ der Ausstellung auf den Punkt: eine Skepsis bezüglich unserer Träume und Utopien (Club of Rome: Die Grenzen des Wachstums, 1972). Wir gelangen oder sind an einem Ende, darunter droht das Dunkel, wie die verbrannte Landschaft in McCarthys Buch. Es ist nicht mehr die Zeit mehr für Utopien. „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, Zitat Helmut Schmidt.

Im hinteren Raum hängen ihre beiden anderen Arbeiten, die Papiercollage „Paar“, die die Utopie auf dem Feld der Geschlechtsidentität thematisiert und das Haus.

Susanne Ring stammt aus Mainz. Sie hat an der HdK und in Berlin Weißensee studiert und ist als Professorin für Kunst und Ästhetik an der FU Bielefeld tätig.

 

Auf der anderen Seite hängen die Arbeiten der in Busan, Südkorea geborenen Künstlerin Sun Ju Kim, 2 Zeichnungen. Sie hat zunächst in Korea Molekularbiologie studiert, dann Kunst in Rom und an der Burg Giebichenstein in Halle. Ihre kleinere Arbeit ist von einem Besuch im KZ Dachau inspiriert. Ich habe mich gefragt, ob das Interesse, der Versuch des Einfühlens in die Alpträume und Hoffnungen der KZ-Insassen mit der grausamen Geschichte des koreanischen Bürgerkriegs zu tun hat. Die Gedanken, Erinnerungen, Hoffnungen schweben wie Blasen über uns, begleiten uns. Die geometrisch anmutenden konkaven, vielleicht rationalen Strukturen versuchen sie aufzufangen.

 

Neben den Arbeiten von Frau Kim sehen sie zwei Fotographien des belarussischen Fotographen Alexander Veledzimovich. Auf seine Arbeiten bin ich zufällig bei einem Besuch in Danzig gestoßen, wo er im Exil lebt. 

In seiner Arbeit steht die Porträtfotographie im Vordergrund. Hier sehen wir ein Paar und Mutter und Kind in Weißrussland. Seine schwarz-weißen Arbeiten konfrontieren uns mit der sozialen Realität. Wovon werden, wovon können die abgebildeten Menschen träumen? Das kleine Mädchen ist sich vermutlich der Lage der Dinge noch weniger bewusst als ihre Mutter. Das junge Paar hat sich – immerhin.

 

Auch Fotographie – aber übermalt finden wir in den beiden Arbeiten von Katrin Salentin, von der ich in der Vergangenheit hier schon digitale Collagen gezeigt habe. Katrin Salentin stammt aus Düren und hat an der FH Aachen visuelle Kommunikation studiert. Bei der Arbeit „blink your eyes – one für yes, two for no“ musste ich, vielleicht berufsbedingt, an die Verständigung mit Menschen denken, die sich nicht mehr über Worte, sondern nur durch Gesten verständigen können, was nicht passt zu dem Photo, der jung aussehenden Frau. Die andere Arbeit Spencer- entfaltet seine Wirkung beim längeren Hinschauen, die große schwarze Mundhöhle, der Hals ist kein Hals, sondern ein Arm, ganz oben Haare. Mir gefällt Spencer: er hat etwas Wildes und gleichzeitig etwas Anrührendes an sich.

 

Bevor wir den hinteren Raum betreten, wollen wir noch die e Arbeit von Ute Deutz betrachten. „Pinky Glasses“. Ute Deutz hat Produktdesign studiert. Sie arbeitet konzeptionell und bearbeitet in ihren Objekten und Installationen sozialkritische und zwischenmenschliche Themen und Phantasien. Wir sehen eine Plexiglas-Haube, die einen abgeschlossenen aber von allen Seiten einsehbaren Raum umschließt. Darin sind an einem filigranen Messingträger in einem Abstand 2 Fotographien befestigt, die einen Mann zeigen mit Krawatte und Anzugjacke, die auch ein Kittel sein könnte. Es scheint sich auf beiden Aufnahmen um die gleiche Person zu handeln. Von einer Seite werden die Fotos von teilweise einem runden rötlichen Schirm verdeckt, so dass wir die Figur wie durch eine „rosarote“ Brille betrachten. Unsere Wahrnehmung wird zweifach erschwert, verunsichert: durch die Brille und durch die Verdopplung der Person. Zitat Adorno: „Kunst muss rätselhaft sein, sonst ist sie keine Kunst“.

 

Im hinteren Raum fällt die große Arbeit von Lupe Godoy auf. Lupe Godoy stammt aus Valencia, wo sie auch Kunst studiert hat. Auf sie bin ich bei einer Ausstellung im VbK aufmerksam geworden, in der sie die auch hier zu sehende kleinere Arbeit gezeigt hat, die mir als atmosphärisch überzeugende Darstellung von Dystopie in Erinnerung geblieben war. In ihrem Atelier haben wir uns schnell für die große Arbeit für die hintere Wand entschieden. Ein in die Tiefe gehender, von Wald umrandeter See, der Lipnitzsee, verfremdet und verrätselt durch aus dem See, aus einer anderen Welt auftauchende Formationen. Die Welt ist nicht so, wie sie uns scheint. Es gibt Dinge, die wir nicht verstehen, nicht einordnen können. Gibt es außer uns noch andere Wesen im All?

 

Damit bin ich bei Albert Markert. Seine Arbeiten lassen erahnen, dass er eine Vorliebe für Außenseiter-Kunst hat. Er ist immer seinen eigenen Weg gegangen. Er hat Kunst, Kunstgeschichte, Germanistik und Politik studiert. Er ist Co-Autor einer erweiterten Beuys-Biographie.  Er hat sich zunächst viel mit Linolschnitt beschäftigt. Auch in den hier gezeigten Arbeiten hat er einzelne Elemente aus dem Linolschnitt in seine Zeichnungen integriert. 

Albert Markert hat 2008 den 3. Preis der Jungen Akademie zugesprochen bekommen bei einem Wettbewerb zum Thema: Welchen Raum braucht das Denken. Auch seine hier ausgestellten Arbeiten geben darauf eine Antwort: Das Denken braucht Freiraum: Wir sehen eine wilde Mischung von Zeichen, Schrift, Graphik, Linolschnitt, alles leichtfüßig hingeworfen. Wir sind verwirrt und angeregt. Das Denken ist frei, oft verworren, alles geht durcheinander und hängt doch irgendwie miteinander zusammen. Grenzen, Strukturierung kommen erst später. D.h. erst mal alle Einfälle zulassen. In der Psychoanalyse lautet die Aufforderung an den Patienten/in: Sagen sie alles, was ihnen einfällt, ohne Zensur.

 

Ob und wie die Arbeiten mit dem Traum-Utopie – Thema zu tun haben, darüber wird es verschiedene Meinungen geben, die wir gerne hier austauschen können.

 

NH 13.9.2025

 

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