Mara Sandrock ist Ärztin und Studierende der Malerei und Bildhauerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein der Universität Halle (Saale).

Im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit steht das Erkennen des Wesens eines Objektes und seiner Veränderlichkeit. In ihrem Atelier experimentiert sie wie in einem Labor mit verschiedenen Materialien, die sie auf unterschiedliche Bildträger aufbringt. In ihren Bildern geht es ihr um die Sichtbarmachung des Veränderlichen. Bei den Darstellungen des Menschen wird der durch ihre Arbeit in der Anatomie geschulte Blick spürbar.

 

Mit einem Künstlergespräch mit Mara Sandrock endete am 19.5.2017 die Ausstellung IMPLIZIT.

Das Thema des Abends lautete Schönheit und Hässlichkeit – was löst sie im Betrachter aus? 

 

Nach Nelson Goodman (1906-1998 amerikanischer Philosoph) können Gegenstände und Kunstwerke, die nach den üblichen ästhetischen Maßstäben als hässlich empfunden werden müssten, durchaus einen ästhetischen Reiz ausüben (Paradox der Hässlichkeit).

 

Die Relativität der Bewertung von schön oder hässlich und die Bedeutung der Wahrnehmung und Interpretation durch den Betrachter unterstreicht die Aussage von Marlene Dumas:

"Nun, da wir wissen, dass Bilder alles bedeuten können, was wer auch immer sie bedeuten lassen will, trauen wir niemandem mehr, ganz besonders uns selbst nicht."

 

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Begrüßung und Einführung in die Ausstellung IMPLIZIT mit Arbeiten von Mara Sandrock am 21.April 2017

 

Guten Abend und herzlich willkommen in der kleinen Galerie. Ich freue mich, Ihnen Bilder und Objekte von Mara Sandrock zeigen  – und besonders darüber, Ihnen die Künstlerin selber vorstellen zu können.

 

Mara Sandrock wurde in Wuppertal geboren.

 

Sie hat  – teilweise überlappend - in Leipzig Medizin und in Halle Kunst studiert. 

Ihr Medizinstudium hat sie 2014 mit dem Staatsexamen und 2015 mit der Promotion  abgeschlossen. Seitdem steht bei ihr die künstlerische Tätigkeit im Vordergrund, in der sich Mara Sandrock mit der Veränderlichkeit der Dinge beschäftigt. 

Dabei ist ihr Atelier mit einem medizinischen oder chemischen Labor zu vergleichen. Sie arbeitet mit verschiedenen Materialien wie Farbe, Salz, Silikon, Fett, Lack und Säure.

Sie schüttelt, klebt und spritzt, um dann im Trocknungsprozess die Eigenschaften und den Verbindungscharakter der verschiedenen Stoffe zu erforschen. Die bei ihren Erkundungen gewonnen Erfahrungen werden wie bei  einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung genau protokolliert. In jeder neuen Arbeit setzt sie dann die bei der Materialerforschung gewonnenen Erkenntnisse ein. Dabei ist sie offen ist für unerwartetes Verhalten und eine dem Zufall geschuldete Verteilung der von ihr eingesetzten Materialien. Als Ergebnis entstehen komplexe - und manchmal auch sich mit der Zeit verändernde Oberflächen – wie sie beispielhaft an der mit einem Gemisch aus Farbe und Mehl übergossenen Gips- Skulptur sehen können. D.h. einige ihrer Arbeiten verändern sich noch im Laufe der Zeit nach ihrer Fertigstellung, sie leben sozusagen.

Die kleinen Bilder an der langen Wand sind als Dokumente, Protokolle solcher Forschungsvorhaben entstanden.

 

Viele ihrer  Bilder weisen eine starke Materialität  in Form einer reliefartigen, in die dritte Dimension gehenden Struktur auf. Man kann sich an die Anatomie, den Sektionssaal  erinnert fühlen: Die Haut ist aufgeschnitten und gibt die Sicht frei auf die darunterliegende Schichten. 

Mara Sandrock spricht von der Transformation des menschlichen Abbildes, was sowohl körperlich wie psychisch verstanden werden kann. Transformation bezeichnet den Übergang, die Öffnung in einen anderen Zustand  - hier im Sinne einer Sichtbarmachung  der verborgenen Seiten des Menschen.

 

Darin kommt das besondere Interesse der Künstlerin an der Anatomie zum Ausdruck. Mara Sandrock berichtet von der Faszination, welche die unter der Haut verborgenen Schichten und Farben des Menschen schon früh in einem Praktikum in der Pathologie auf sie ausgeübt haben – und was sie vielleicht später auch zum Medizinstudium und zur Promotion gerade in der Anatomie geführt haben mag.

 

IMPLIZIT - der Titel der Ausstellung – bedeutet denn auch: mit enthalten, mit gemeint, aber nicht ausdrücklich gesagt. 

Die verwendeten Materialen, deren Veränderungen und Interaktionen bringen etwas zum Ausdruck, was über das mit Linie und Farbe Vermittelbare hinausgeht: eine Art organisches Element, ein Zeichen des Prozesses der Wandlung und der Alterung.

 

Betrachtet man die hier ausgestellten Arbeiten – und ihre früheren Arbeiten auf ihrer Website - so erkennt man eine Entwicklung von einer mehr figurativen Malerei hin zu einer stärkeren Abstraktion.

 

Die übereinanderliegenden unscharf begrenzten und teilweise ineinander verlaufenden Farbflächen vermitteln dabei einen in die Tiefe des Bildes hineinziehenden Sog. Es entsteht ein geheimnisvoll vielschichtiger Eindruck, nichts ist eindeutig, weder die Farbe noch die Form, auch hier ist alles implizit. Sehen wir eine Figur, einen Kopf,  Augen, einen Arm?

 

Mara Sandrock gießt Farben auf ihre am Boden liegende Leinwand und verfolgt die Interaktionen der verschiedenen Farben und Materialien. Sie verstreicht sie mit dem Pinsel, spachtelt und wartet das Ergebnis des Trocknungsprozesses ab. Hier verbinden sich gezieltes Gestalten und Konturieren mit Farbe und Wachskreide mit dem eigengesetzlichen , zufälligen Verhalten der verschiedenen von ihr verwendeten Materialien.

 

Auch in den hier ausgestellten Skulpturen, Köpfen geformt aus Kupfer, Holz und Gips , geht es Mara Sandrock um die Schaffung eines transformierten – oder sogar transzendenten – d.h. jenseits des Gegenständlichen liegenden - menschlichen Abbildes.

 

Das IMPLIZITe trifft auch auf Mara Sandrock als Person zu. In den Arbeiten der Künstlerin ist die Ärztin enthalten mit ihrem medizinisch forschenden Blick unter die Haut  und ihrer Neigung zu  wissenschaftlicher Materialforschung . Und umgekehrt steckt in der Ärztin Mara Sandrock die Künstlerin mit ihrem Interesse an der erstaunlichen farblichen und formlichen Beschaffenheit des Menschen – seines Äußeren und Inneren.

 

21.4.17 NH

 

 

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