Jens Hunger "the power of love"

Bildrechte J.Hunger

Einführung zur Aussstellung von Jens Hunger "the power of love" am 3.Mai 2019

 

Jens Hunger malt Bilder, die polarisieren. Ist das Kunst?

 

Ja, was ist Kunst? Keiner weiß es genau. Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Kunst und Nicht-Kunst ist nicht möglich. Der Begriff Kunst besitzt ein Bedeutungsfeld mit unscharfen Rändern.

 

Der Bühnenautor Ludwig Fulda  1894

Weiß nicht, was echte Künstler sollen

Mit eurem theoretschen Schwulst;

Kunst kommt von Können, nicht von Wollen:

Sonst hieß es „Wulst.“

 

Arnold Schönberg: Ich glaube: Kunst kommt nicht von können, sondern vom Müssen.

 

Nach Arthur Danto, amerikanischer Kunstkritiker und Philosoph,  entstehen Kunstwerke durch Reflexion über etwas. Sie wollen eine wie auch immer geartete Aussage über etwas machen. „Aboutness“.

 

Mit diesen Werkzeugen ausgerüstet gehe ich jetzt an die Arbeiten von Jens Hunger.

 

I Kunst kommt von Können:

Jens Hunger kann was, obwohl er keine Kunsthochschule besucht hat. Er ist ein genauer Beobachter und ein  guter Zeichner und Maler.  Er arbeitet akribisch, was sie sowohl in seinen Papierarbeiten wie auch auf Leinwand und  besonders ausgeprägt auf seinen  großen Arbeiten auf Baumwolle erkennen können. Die Farben sind abgestimmt. Auch die teilweise kräftigen Farbtöne gelangen im Gesamteindruck in ein Gleichgewicht. Eine Kombination von Expressivität und  strenger Dizipliniertheit.

Die formale Struktur der Bildgestaltung, die Komposition ist ausgewogen.

 

Die Bilder erzählen eine- oder mehrere Geschichten. Die Bildsprache umfasst figurative Elemente: Menschen, Tiere, geometrische Figuren wie Streifen, Kreise, Zacken, Sterne  und ornamentale Figurationen wie Blätter und  amorphe Zeichen.

Unter den figurativen Elemente finden wir einige Zitate: berühmte Gitarren, u.a., die Hello- Kitty-Katze und viele niedliche Tiere, wobei gerade die Affen eine prominente Vorläufer in der Kunstgeschichte haben.

 

 

II Kunst kommt nicht von können, sondern vom müssen

 

Jens Hunger ist ein extrem fleißiger, vielleicht ein besessener Maler.

Über das „müssen“ kann man immer schön spekulieren.

Warum machen Künstler Kunst? Nach der freudschen psychoanalytischen Kunsttheorie stellt die künstlerische Tätigkeit eine Sublimierung anderer nicht auslebbarer Triebe dar.

Die Vorstellung jetzt geht dahin, dass schöpferische Tätigkeit die Möglichkeit bietet, innere Konflikte zu verarbeiten, zu sublimieren. Innere Spannungen, die der Antrieb zur Arbeit sind, lassen mit fortschreitender Gestaltung eines Kunstwerks nach, weil sich durch das geschaffene Werk ein Teil des Konfliktes durch seine Art der Darstellung lösen lässt. 

 

Kunst ist das Kommunikationsmittel des Künstlers. Der Künstler fühlt sich gedrängt, etwas von sich zum Ausdruck zu bringen, in der Hoffnung, dass es vom Betrachter/Hörer verstanden wird.

 

 

III Künstler wollen eine wie immer geartete Aussage über etwas machen

 

Worüber will Jens Hunger eine Aussage machen?

Seine Bilder sind Geschichten. Sie bieten viele Anknüpfungsmöglichkeiten. Ich beschränke mich auf einige Punkte.

Die Menschen: es sind oft kindlich wirkende Erwachsene. Relativ große Köpfe und vor allem große Augen. Das Kindchen-Schema. Sie nehmen oft eine besondere Pose ein, teilweise heroisch wirkend. Aber da ist oft ein Bruch. Die Pose passt nicht zur Mimik oder zum Blick. Das Mädchen steht ganz steif da, keine fröhliche Siegerstimmung – trotz des Victory Zeichens.

In der Psychiatrie gibt es die Bezeichnung Parathymie. Darunter wird eine Störung bei der Äußerung von Gemütserregungen verstanden. Sie äußert sich durch ein Missverhältnis zwischen dem gegenwärtigen inneren Erleben und dem äußeren Gefühlsausdruck bzw. der äußeren Situation. Das kann krankhaft sein, kommt aber in schwächerer Form auch beim Galgenhumor vor.

 

Die Tiere: Jens Hunger bevorzugt niedliche Tiere: Eichhörnchen, Erdmännchen, Äffchen, Vögel.  Obwohl die Schimpansen auch groß und gar nicht mehr niedlich werden können – hier sind sie noch ganz putzig. Sie schauen oft aus dem Bild heraus den Betrachter an.

 

 

Die Hello Kitty Katze wurde 1974 von Yūko Shimizu entworfen und ist eine der Werbefiguren der japanischen Firma  Sanrio. Sie ist Ausdruck der japanischen Kawaii Kultur, für ein ästhetisches Konzept, das Unschuld und Kindlichkeit betont. Seit den 1970ern hat sich Niedlichkeit, insbesondere als Designelement, in vielen Bereichen des japanischen Lebens immer stärker durchgesetzt. Japaner setzen – für westliche Beobachter ungewohnt, Niedlichkeit in vielen Situationen einsetzen, in der es in westlichen Kulturen als unpassend kindisch oder unseriös angesehen würde, wie zum Beispiel in staatlichen Veröffentlichungen, behördlichen Warnungen, Büroumgebungen, Werbung für das Militär oder kommerziellen Fluglinien. Hello Kitty  ist eine Projektionsfläche. Sie zeigt keine Mimik und  hat nicht mal einen Mund hat.

 

Gitarren: Symbol des rock an roll, Symbol des Aufbruchs, Fetisch, Sexualobjekt.

 

Zurück zur Frage. Worüber macht Jens Hunger mit seinen Bildern eine Aussage? Was ist das „Aboutness“?

 

Zum Einstieg: Was berührt uns an seinen Arbeiten?

Mich spricht die subtile Ironie an, die von fast allen seiner Bilder ausgeht.

Ihm gelingt es, hinter dem scheinbar Heiteren die andere Seite aufscheinen zu lassen. Da kann man mal schmunzeln. Aber manchmal bekommt man auch ein leichtes Gruseln. Was ist das für eine surrealistische Welt, die sich da auftut? Traumbilder? Goya: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer. Totenköpfe, tanzende Skelette, niedliche Tierchen. Selbst die heile Welt unserer Kuscheltiere, der wichtigen Übergangsobjekte,ist nicht heil. Der kleine Bär liegt mit einem Messer in der Brust am Boden. Schläft das Eichhörnchen oder ist es schon tot?  

 

Können wir unserem Blick trauen? Oder sind alle Wahrnehmungen vieldeutig und manchmal widersprüchlich. Vielleicht alles irgendwie parathym: man darf der eigenen Wahrnehmung nicht trauen. Wir führen ein schönes Leben, aber die kleinen Tierchen verschwinden nach und nach.

 

Wahrheit  Gleich-Gültigkeit, Lüge? Was ist wahr , was ist Fake? Welchem Wort, welcher Botschaft kann man trauen? Die Thematik passt in unsere Zeit. 

 

Norbert Hümbs

 

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