Monika Sieveking hat mit Bedacht den Titel „in der Zeit“ für die Ausstellung gewählt, denn die Zeit spielt in mehrfacher Weise eine Rolle.

 

Wir sehen Arbeiten von Monika Sieveking, eine erste aus dem Jahr 1949, da war sie 5 Jahre alt. Die jüngsten Arbeiten: Granatapfel und Horizont stammen aus dem Jahr 2023, d.h. wir blicken auf Ausschnitte aus einem langen Künstlerinnen-Leben. 

 

Ein frühes Interesse am künstlerischen Schaffen zeigt die Arbeit „Selbst – nach van Gogh“ von 1960, da war Monika Sieveking 15 Jahre alt und las mit großem Interesse die Briefe von van Gogh an seinen Bruder.

 

Folgerichtig nahm sie dann 1964 ein Studium an der Udk, damals noch HfbK, Hochschule für bildende Künste, auf. Ihre Lehrer waren Hans Jaenisch und Heinz Trökes, bei dem sie 1970 ihren Abschluss als Meisterschülerin machte.

 

Die Biographie des Weltreisendes Heinz Trökes, der mit WOLS , Andre Breton, Marcel Duchamp und Max Ernst bekannt war, macht neugierig darauf zu erfahren, welchen Einfluss er für ihre künstlerische Entwicklung hatte.

 

Bei Wikipedia heißt es über sie: 

Nach ihrem Studium entwickelte sie ein vielseitiges, der realistischen Bildkunst verpflichtetes künstlerisches Werk. Ihre Bildsujets setzten sich mit Menschen und alltäglichen Situationen auseinander und bezeugen ein breites Spektrum künstlerischer Techniken, von der Zeichnung, Lithographie, Aquarell bis zum Tafelbild, großformatigen Altar- und sogar Wandbildern und zahlreichen Porträts.

 

Aus diesem in der Tat vielseitigen und eine Vielzahl von Arbeiten umfassenden Werk sehen wir hier einen kleinen Ausschnitt, besser Längsschnitt aus über mehr als 50 Jahren.

 

Monika Sievekings eigenes Leben war durch die schwierigen Umstände der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt, was villeicht ihr ausgeprägtes Interesse an sozialen Themen und politischen Fragen geprägt hat.

 

Und damit komme ich zum zweiten Aspekt des Ausstellungstitels „In der Zeit“. 

Monika Sieveking war mit ihren Arbeiten immer nahe an der Zeit, am Zeitgeschehen.

 

Sie hat sich immer als gesellschaftlich und politisch engagierte Künstlerin verstanden und hat diese Themen in ihren Arbeiten aufgegriffen. Ich verwiese auf die hier ausgestellte Arbeit „Verkrampfte Faust“ aus dem Jahr 1974 die Bezug auf den Vietnamkrieg nimmt, der damals zu einer starken Politisierung junger Menschen geführt hat. Oder auf die Arbeit „am Strand“, die sich mit dem schwer erträglichen Nebeneinander von Armut und Elend einerseits und einem sorglosen Leben im Luxus beschäftigt. Oder „Freiheit für Angela Davis“, die in den 1960-80-iger Jahren eine Symbolfigur der Black Power Bewegung und zeitweise führendes Mitglied der Kommunistischen Partei der USA war.

Die Systemfrage Kapitalismus-Sozialismus spielte damals eine große Rolle in der Studentenbewegung und war besonders lebendig in Berlin, wo die beiden Systeme auf engem Raum nebeneinander existierten und darum konkurrierten, welches das bessere, gesellschaftlich gerechtere Modell darstellte. 

Der Mauerfall und die Auflösung der DDR als potentiell bessere Staatsform bedeutete für viele Gleichgesinnte den Verlust einer Zukunftshoffnung, was auch in den Arbeiten von Monika Sieveking ihren Niederschlag gefunden hat.

 

Wikipedia schreibt dazu:

Nach 1989 gelingt ihr die überzeugende Erneuerung ihrer gegenständlichen Malerei in besonderer Expressivität, hinsichtlich der Farbigkeit, der von ihr gewählten Bildthemen und der Experimentierfreudigkeit mit neuen künstlerischen Techniken.

 

Es tritt sukzessive eine Auflockerung ihrer figurativen Darstellung ein und eine Erweiterung der Themen, die etwas Phantastisches gewinnen: ich verwiese auf den „Bonbonengel“, „Rotkäppchen und ihr Wolf“ und „Luftsprung“. Aber es geht auch ums „Balancieren“ 2015, um den Umgang mit Unsicherheit.

 

Auch nimmt die Landschaft eine größere Stellung ein, ausgelöst durch Aufenthalte und an der Küste und Lehrtätigkeit in Bremerhaven wie die Arbeiten „An der Weser“ von 2004 und 2005 zeigen.

 

Monika Sieveking ist trotz der in den zurückliegenden Jahren lange vorherrschenden Tendenz zur nicht-gegenständlichen Malerei ihrer figurativen Malweise treu geblieben. Sie beherrscht verschiedene Techniken, von der altmeisterlichen Technik zur Tuschemalerei, Aquarell, Lithografie, Siebdruck und Collage. Auch eine kleine Gipsplastik wird in der Ausstellung gezeigt.

 

Erwähnen möchte ich noch ihre Werkgruppe „Gesichter des Widerstandes“, die sich im Besitz der Gedenkstätte Deutscher Widerstand befinden, und ihre Sozialreportage „Krankenhausalltag“ 1976-77 im Klinikum Steglitz entstanden, von der wir hier leider kein Bild zeigen können.

 

Auf 2 Themen möchte ich noch kurz besonders eingehen:

Monika Sieveking hat viele Selbstporträts angefertigt. Das erste mit 15 Jahren mit trotzigem Blick. 

Von 1992 sehen wir hier „Selbst mit fliegender Zeit“ – was zu vielen Deutungen verlockt.

 

Zum anderen ihre Beschäftigung mit der Rolle der Frau – in der Gesellschaft und in der bildenden Kunst. Zu diesem Thema hat sie viele Arbeiten geschaffen, unter ihren Porträts sind viele Frauenporträts wie das von Jutta Limbach, der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Eine Arbeit möchte ich besonders erwähnen: ein großes Gruppenbild mit Siemensarbeiterinnen aus dem Jahr 1973, gemalt im Stil des sozialistischen Realismus, mit dem sie derzeit an einer Ausstellung im Museum Marta Herford mit dem Titel „Wer näht die roten Fahnen?“ teilnimmt und das gerade vom Museum Ludwig für die Ausstellung im Museum in Köln angekauft wurde.

 

Politisch aktiv ist Monika Sieveking in der Initiative „Fair share“, die sich für eine angemessene Sichtbarkeit der Arbeiten von Künstlerinnen einsetzt und den sehr niedrigen Anteil von Arbeiten von Künstlerinnen in Museen kritisiert.

 

Zum Schluss noch ein Blick auf das große Bild an der Stirnseite: „Ernte oder Sack für Sack für Sack“ aus dem Jahr 1996, da ist die Künstlerin 52 Jahre alt. Wir sehen eine vorgebeugte Frau bei der Ernte. Sie trägt ein Kopftuch zum Schutz der Haare und als Zeichen der Zugehörigkeit zur Klasse der Landarbeiterinnen. Sie füllt Sack um Sack. Womit die Säcke gefüllt werden, können wir nicht erkennen. Die zugeknoteten Säcke stehen über das ganze Bild verteilt bis in die Tiefe. Auf die Frau und die 3 Säcke im Mittelpunkt des Bildes fällt ein Sonnenstrahl.

Die Malweise ist aufgelockert, nicht mehr so streng figurativ wie in früheren Arbeiten, die Farben sind zurückhaltend, das Ganze ist etwas verwischt, teilweise von gestreiften Strukturen überlagert.

Man kann es als eine Metapher für das Lebens sehen. Wir arbeiten, wir sammeln, wir ernten, wir arbeiten weiter, wir sind für uns selber verantwortlich, die Sonne scheint, es gibt auch dunkle Ecken. So ist das Leben.

 

Auch Monika Sieveking hat immer gearbeitet, viele Eindrücke und Erfahrungen gesammelt usw. Es gab auch viele Ernten und Anerkennung im Laufe ihres Künstlerinnenlebens. Der Ankauf eine ihrer Arbeiten durch das Museum Ludwig ist die auch eine Ernte einer reifen Frucht.

 

Norbert Hümbs 12.4.2024

 

 

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