Ute Hoffritz/ Wojtek Skowron

 

 

In der Ausstellung werden größere und kleinere Arbeiten von Ute Hoffritz gezeigt. 

Im vorderen Raum sind zwei größere Skulpturen zu sehen, ein großes langgestecktes und 2 Objekte, die einen kaminartigen Teil aufweisen. Als ein gemeinsames Merkmal gilt: sie ragen in den Raum hinein und sie umschließen einen Raum. In der Philosophie wird Raum als leerer Raum angesehen und unterschieden von der Materie als substanzgefülltem Raum. Der umschlossene Raum ist hier leer, nicht mit Substanz gefüllt. Die Schornsteine wirken wie Schlote. In der Geologie sind Schlote vulkanische Aufstiegskanäle. In der Höhlenkunde sind sie senkrechte Teile eines Höhlenganges. Die rote aus dem Jahr 2004 stammende Arbeit aus Terrakotta ist mit „häuslicher Herd“ betitelt. Sie ist eckig, konstruiert, architektonisch – aber gleichzeitig archaisch, streng.  Sie wirkt massiv, statuarisch und hat nur einen Eingang, keine Fenster. Es könnte ein Schutzraum sein. Dagegen wirkt die andere schlotige Arbeit, der „schwarzen Raucher“, organischer und lässt an einen vulkanischen Aufstiegskanal denken, durch den unter großem Druck gasförmiges Magma herausgeschleudert wird. Dieser Schlot hier ist aber hohl – im Unterschied zu den geologischen Schloten, die meiste mit Gesteinsbrocken gefüllt sind. Hier besteht weiter eine offene Verbindung zwischen der Erdhöhle und der Umgebung, zwischen innen und außen.  Die Oberfläche ist uneben, die Seiten durchlöchert.

Von ganz anderem Charakter ist das aus Betonguss gefertigte Gehäuse, das sich in rechtwinkelig gestalteter Form in der Horizontalen ausbreitet. Auch hier ist die Idee einer Verbindung, eines massiv geschützten Ganges verwirklicht. Es könnte auch ein ausgegrabenes Gebäude, Relikt einer untergegangenen Kultur sein. Dagegen wirkt die im Schaufenster stehende Bronze,  „Mit der Decke III“ leicht. Auch hier kann das Schutzmotiv assoziiert werden.

Eine ganz andere Anmutung geht von ihren körperhaften Arbeiten wie „Torso“ und noch mehr von der Arbeit „Körper“ aus. Körper umschließt einen Hohlraum wie eine Haut, wie eine schützende Ummantelung.  Was geschützt werden soll, ist abwesend, kann vorgestellt werden. Oder ist nur noch die äußere Hülle vorhanden? Die Hülle als Erinnerung an den verlorenen Kern? Wie der nach der Verwesung übrigbleibende Panzer einer Schildkröte?

Auch „der kleine Herrgottswinkel“ greift das Thema des fehlenden, zu imaginierenden Bestandsteils auf. Der Herrgottswinkel ist leer. Was kann hineingestellt werden?

Das „Zeitgefäß“ weckt die Assoziation einer Eieruhr und kann als eine Verbindung von Raum und Zeit gesehen werden, eine Verkörperung des kosmologischem Raumzeit-Begriffs, nach dem Raum und Zeit nicht als voneinander unabhängig angesehen werden können. Oder ein Hinweis auf unsere unvermeidbar verrinnende Lebenszeit.

Frau Hoffritz arbeitet mit Verfremdungen in Form von Verkleinerungen wie bei „soft landscape“ und „auf der Kippe“ und wie viele andere kleine Arbeiten in ihrem Katalog zeigen. 

Es könnte verlockend sein, sich ihre Arbeiten mal in die andere Richtung, in Monumentalität vergrößert in den Raum gestellt, vorzustellen wie die Maurerkelle von Claes Oldenburg.

 

Ute Hoffritz hat zunächst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und dann an der UdK in Berlin studiert, wo sie Meisterschülerin bei Joachim Schmettau war, dem Schöpfer des Wasserklops´ am Breitscheidplatz.

Sie arbeitet mit Ton, Bronze, Betongüssen und bei größeren Objekten auch mit Draht und Pappmache. 

Ihre Inspirationen bezieht sie aus Musik und Lyrik, wobei sie die Hölderlinsche Metrik liebt.

Als weitere von ihr geschätzte Lyriker nennt sie Josef Brodsky und Czeslaw Milosz.

 

Josef Brodsky war ein russisch-amerikanischer Dichter, Literaturpreisträger. Er wurde 1940 in Leningrad= St. Petersburg geboren. Er wurde wegen Parasitentum zu Zwangsarbeit verurteilt. Aus der Hafterfahrung schrieb er: „Jeder hat das Zeug zum Henker und jeder kann im nächsten Moment Opfer sein“. Er wurde 1972 ausgebürgert und lebte bis zu seinem Tod 1996 in den USA. Nach dem Zerfall der Sowjetunion schrieb er stark nationalistische Gedichte, u.a. ein Schmähgedicht „Über die Unabhängigkeit der Ukraine“, das in Russland 2014 zum Gedicht des Jahres erklärt wurde. 

 

Czeslaw Milosz wurde 1911 in Polen geboren, einer Stadt, die heute zu Litauen gehört. Er lebte von 1951-81 in Frankreich und USA im Exil und starb 2004 in Krakau. Auch er erhielt den Literatur-Nobelpreis.

 

Damit wird zu Wojtek Skowron übergeleitet, der 1983, in der Zeit von Wojciech Jaruzelski, sein Architekturstudium in Danzig abbrach und als politischer Flüchtling nach Deutschland kam. Hier arbeitete er zunächst als Fotolaborant. Später unternahm er viele Foto-Reisen, beteiligte sich an zahlreichen Fotoausstellungen und nahm mit Videoarbeiten an internationalen Festivals teil.

Er hat seinen Fotoapparat immer dabei. Er fotografiert nur mit einem Weitwinkelobjektiv, d.h. er muss nah an seine Motive herangehen können. Wie, wo findet er seine Motive? Er vergleicht das Finden seiner Motive mit der Pilzsuche. Man streift herum und hält Ausschau. Auf seinen Bildern sind keine Menschen zu sehen, nur Räume – auch hier geht es um Räume -  Räume, die von Menschen gemacht worden sind. Städtische Räume an den Grenzzonen von Privatem und Öffentlichem. Sie weisen Gebrauchs-, Lebensspuren von Menschen auf. Er hebt ans Licht, was sonst unbeachtet bleibt. Hier sind es das zugedeckte Motorrad im Flur, das auf das nächste Frühjahr wartet, die karge Betontischtennisplatte ohne spielende Kinder, wenig einladend und doch vermutlich dankbar genutzt. Hausfluren und Treppenhäusern schenkt Wojtek Skowron eine besondere Beachtung.

Sein Können besteht, neben der fotografischen Realisation, in dem Finden, im Erkennen des ästhetischen Reizes einer Situation: der Linien, des Lichteinfalls. Er will die Atmosphäre erfassen. Am liebsten wäre es ihm, er könnte auch noch den Geruch – oder Gestank mitaufnehmen. Er stellt seine Objekte nicht, sondern er eher lakonisch zur Schau.

 

Wojtek Skowron hat auch eine Reihe von Videoarbeiten geschaffen. Dabei geht er von einem Bild, einem Gedanken oder einer Stimmung aus, aus dem er – in Interaktion mit der Arbeit - eine verstehbare Geschichte oder eine in sich stimmige Abfolge von Szenen und Bildern gestaltet. Das ist auch eine Parallele zum Vorgehen von Ute Hoffritz. Sie hat oft nach einer Idee eine Skizze angefertigt. Aber die weitere Arbeit entwickelt sich aus der Interaktion mit dem Material.

Wojtek Skowron hat auch Texte verfasst, eine Art philosophisches Flanieren zu Fragen der Wahrnehmung, die in seinem Katalog ausgedruckt sind.

 

 

 

 

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